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Ein Erfahrungsbericht von Mia Luise Grützenbach

Dass ich durch eine Anmeldung bei der „Deutschen Schülerakademie“ mal an einem Freitagabend in einer Kirche Topfdeckel zusammenschlagen würde, ohne dabei eine Hose zu tragen, hätte ich wirklich nicht gedacht. Ein Ort für besonders leistungsfähige und motivierte Schüler*innen? „Strebercamp“ war meine erste Assoziation, genauso wie die von vielen anderen Teilnehmenden auch. Was genau ist diese Schülerakademie also?

Jedes Jahr werden an verschiedenen Orten in und außerhalb Deutschlands Akademien angeboten, die 16 Tage dauern und grundsätzlich in den Sommerferien liegen – außer man wählt die Orte, bei denen man sich bewirbt, sehr klug. Wie schön die bundeslandspezifischen Ferien doch sein können! Jede Akademie wird von etwa 100 Schüler*innen der gymnasialen Oberstufe besucht, die in 6 verschiedene Kurse eingeteilt sind. In diesen Kursen arbeitet man insgesamt etwa 50 Stunden unter Anleitung von Kursleiter*innen.

Ich besuchte in der Akademie Roßleben Kurs 5. 6: Punk – No Future und was daraus geworden ist. Andere Kurse in meiner Akademie liefen unter folgenden Titeln:

5. 1 Differenzialgeometrie (Mathe)

5. 2 Quanteninformationstheorie (Physik)

5. 3 Surfen am Limit (es ging hier um die Ökonomie des Telekommunikationssektors)

5. 4 Bin ich, was ich spreche?

5. 5 Rechtfertigung, Kritik und Grenzen von Toleranz

Die Kurse sind also bunt gemischt. Viele verschiedene Interessen prallen innerhalb einer Akademie aufeinander, was genauso gewünscht ist. Auch bei den Teilnehmenden wird auf ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis und Vielfalt geachtet. Voraussetzung sind aber in jedem Fall breit gefächerte Interessen, Begeisterungsfähigkeit und Lust, jede Menge Dinge gemeinsam auf die Beine zu stellen. Der Zeugnisschnitt ist egal. Es geht in der Schülerakademie nicht darum, Schüler*innen mit guten Noten noch mehr Wissen einzuflößen, sondern vielmehr um Persönlichkeitsentwicklung und Freude am Entdecken von Neuem. Gearbeitet wird grundsätzlich auf Augenhöhe; alle Kursleiter werden geduzt. Wer dabei war weiß: wie Schule ist das Ganze nicht.

Im Punkkurs war ich ohne jegliche musikalischen Vorkenntnisse manchmal etwas verloren, habe mich aber dennoch pudelwohl gefühlt. Auf anspruchsvolle Hörübungen und das Lesen von wissenschaftlichen Texten folgten immer wieder Bewegungspausen. Bewegungspause, das bedeutet: Aufstehen, Musik an, Tanzen. Danach High-Fives verteilen. Und sich verrückterweise viel wacher und besser fühlen! Ein Konzept, das unser Kursleiter Paul Spiegelberg einführte und auf große Begeisterung stieß. Wir hörten viel Musik, beginnend bei der Prä-Punk-Ära, analysierten die lokalen Unterschiede der Punk-Szenen und setzten uns mit dem soziokulturellen Hintergrund auseinander. Ziel unseres Kurses war eine selbst erarbeitete Performance. Manche beteiligten sich an Kunst-Aktionen, andere bereiteten als Band einen Auftritt vor, der am bunten Abend präsentiert wurde, oder designten die Outfits für eben diesen. Was dabei entstand, lässt sich schwer in Worte fassen, wurde aber fotografisch festgehalten.

Obwohl ein spannender Kurs die halbe Miete ist, sind das Herz jeder Akademie die sogenannten KüAs: Kursübergreifende Angebote.

Jede*r Teilnehmer*in kann selbst eine oder viele KüAs organisieren und die Akademie so aktiv mitgestalten. Zu meinen persönlichen Highlights gehörten dabei Beatboxen (auch wenn ich kläglich versagte), spanische Gebärdensprache, Rollschuhfahren, jeglicher Verzehr von selbstgemachtem Essen und besonders die Diskussionsrunden! Es wurde ein Literaturclub und eine GSA (Gay-Straight-Alliance) gegründet und sich auch sonst einfach viel ausgetauscht, ob über Nachhaltigkeit, Kommunismus oder Philosophie. Irgendwann entwickelte sich der Trend der Alliterations-KüAs, wie „Waschen mit Walther“ oder „Atmen mit Anna“, die KüA unserer Kursleiterin Anna Chernomordik.

Das wirklich Tolle an der Akademie waren die Menschen, die man bei genau diesen KüAs kennenlernen konnte. Selten hat man die Möglichkeit nach mitternächtlichem Essen von veganen Pfannkuchen einem Teilnehmer dabei zuzuhören, wie er die Soundtracks von Computerspielen oder Deutschrap-Songs auf der hauseigenen Orgel spielt. Oder trifft Menschen, die acht Sprachen sprechen, Jan Böhmermanns „Ich hab Polizei“ auswendig können oder gewillt sind, mit Konzertkleidung in einen Pool zu springen. Bis spät in die Nacht wurde in der Klosterschule Roßleben täglich getanzt, musiziert oder sich im Innenhof getroffen. Die Akademie schien unter dem geheimen Motto „Wer schläft, der verpasst etwas.“ zu laufen.

Mitgenommen habe ich neben Mückenstichen viele neue Freundschaften und eine insgesamt wirklich wundervolle Erfahrung. Obwohl die 16 Tage unglaublich stressig waren und man an seine Grenzen gestoßen ist, hat man in so kurzer Zeit so viel Wertvolles erlebt. Der letzte Tag kam für uns alle deutlich zu schnell und hat für viele Tränen gesorgt.

Ich persönlich würde jedem empfehlen, an der Deutschen Schülerakademie teilzunehmen. Mitmachen darf man leider nur ein einziges Mal, aber Nachttreffen sind schnell organisiert und man wird mit Winter- und Pfingstakademien getröstet.

Ein riesiges Dankeschön schulde ich meiner Kursleiterin Frau Dietrich, die mich für die Schülerakademie vorgeschlagen hat und mir somit zwei der besten Sommerferienwochen überhaupt ermöglichte.